Vorab:
Ich bin kein übergroßer Anhänger von politischer Korrektheit, insbesondere, wenn es um die Sprache geht. Warum ist dies so? Ich glaube einfach nicht daran, dass sich Menschen ändern, wenn sie plötzlich "anders reden müssen". Ich kann mich z. B. an einen Konzern erinnern, indem über Mitarbeiter/innen, mit denen man nicht zufrieden war, oft Kommentare fielen wie:
"Hier sehen wir noch Chancen"
"Hier ist noch eine Menge ungenutztes Potenzial vorhanden"
Unterm Strich bedeutet es das Gleiche wie: "Person XY ist ein totaler Versager ... stinkfaul ... total unfähig..." Und entlassen wurden diese Menschen auch. Man hatte sich einfach eine "sanftere" Sprache angewöhnt, aber die Verachtung für diese Menschen blieb. Nur, dass sie eben nicht verachtet und entlassen wurden, weil sie "stinkfaule Säcke" waren, sondern eben "ungenutztes Potenzial vorhanden war".
Ich bin der Überzeugung, dass ein echter Wandel nur umgekehrt erfolgen kann. Wenn wir z. B. irgendwann in der Gesellschaft niemand mehr haben würden, der Farbige nicht ausstehen kann, würden auch keine rassistischen Kommentare mehr fallen. Die Sprache wäre dann auch "sauberer", aber eben die Geisteshaltung dahinter auch. Man kann z. B. einen Rassisten nicht verändern, indem man von ihm verlangt, plötzlich von Afro-Amerikanern" zu sprechen. Verachten wird er sie genauso wie vorher...
ABER!
Und jetzt kommen wir zu einem interessanten Aber:
Ich habe mir aufgrund meiner Begeisterung für Rock´n´Roll und Blues seit meiner Kindheit anhören müssen, dass ich aufhören muss, diese "schreckliche N*ger-Musik" zu spielen. Seit ca 20 Jahren ist der Begriff nicht mehr gefallen. Auch hat sich niemand mehr abfällig geäußert. Weil es seltsam klingt, sich beim Veranstalter zu beschweren, dass der Musiker "schreckliche Musik afroamerikanischer Prägung spielt"? Oder sind "die" mittlerweile ausgestorben? Liegt es daran, dass ich mittlerweile viele Auftritte selbst ausmache und nur noch Gigs annehme, wo ich eine gewisse Sicherheit habe, dass ich mich da wohlfühlen werde?
Anderes Beispiel:
Die Betreiberin eines Biergartens in München meinte vor einem Auftritt einmal zu mir: "Wir wollen nicht, dass Menschen wie Sie hier parken..." Also Musiker .... Es ging darum, dass ich als Gitarrist einem Kollegen half, der für eine Vereinsfeier gebucht worden war. Auf dem Gelände es Biergartens war ein großer Parkplatz für das Personal... Also Köche, Bedienungen etc... aber eben nicht "Menschen wie mich...." Musiker ... der Schrecken der Gesellschaft... Damals habe ich wütend meinen Wagen in einer nahegelegenen Siedlung geparkt und meine Sachen dann dorthin geschleppt. Heute würde ich der Schnepfe sagen, dass sie sich selbst eine Gitarre kaufen und für ihre Gäste spielen soll... Und ich würde es bestimmt nicht so formulieren, dass sie "in punkto Intelligenz, Freundlichkeit und anderer positiver Tugenden noch eine Menge ungenutztes Potenzial in sich trägt ...."
Da sehe ich noch Chancen, Frau Wirtin!