Bio

Der Weg des Künstlers

Es war einmal …

Es gibt viele Wege, wie Menschen zu dem werden, was sie später im Leben sind. Im Fall von Fred Guggenberger stellte das Schicksal die Weichen, als er fünf Jahre alt war. Es war 1978 und er hörte durch Zufall alte Rock´n´Roll-Aufnahmen aus den Fünfziger-Jahren. Eine Musik, die zu der Zeit, als sie veröffentlicht wurde, als rebellisch, unanständig und Bedrohung für die „guten Sitten“ betrachtet wurde. Für den Fünfjährigen, dessen musikalisches Erleben bis dato vor allem auf die Titelmelodie von „Pinochio“ beschränkt hatte, kam es einem Erdbeben gleich. Und setzte die Weichen für sein gesamtes Leben …

Sein Traum, Rock´n´Roll-Gitarrist zu werden, scheiterte vorerst. Stattdessen bekam er ein Gebläse-Keyboard von Bontempi geschenkt. Wie sich herausstellte, konnte er schon bald jede Melodie, die er einmal gehört hatte, darauf spielen. Es reichte schon, wenn man ihm ein Lied vorsang, um es kurz darauf aus seinem Keyboard zu hören.

Die Umgebung reagierte gespalten darauf. Eine oft gehörte Aussage war, dass „das Kind gefördert werden muss, aber nur, wenn es aufhört, diese schreckliche Negermusik zu spielen“. Gemeint waren Songs von Chuck Berry, Elvis und Bill Haley. Ein weiteres Problem war, dass der Junge zwar sehr talentiert auf dem Klavier war, aber permanent jedes Stück in eine wilde Rock´n´Roll- oder Blues-Orgie verwandelte. Was Beethoven vielleicht Freude gemacht hätte, fand die Mehrheit der Klavierlehrer überhaupt nicht lustig. Zum Glück für das Kind war es in Bayern zu dieser Zeit nicht mehr erlaubt, einen Exorzisten zu rufen. So blieb es bei 24 Klavierstunden und er brachte sich den Rest selbst bei.

Im zarten Alter von 13 Jahren war Fred regelmäßig in Gaststätten und Hotels am Keyboard zu hören. Und ebenso regelmäßig kam die Ansage, dass „der Kleine aufhören muss, diese schreckliche „Neger-Musik“ zu spielen. Ältere Musiker-Kollegen machten ihm klar, dass er nur dann Erfolg haben könnte, wenn er statt Jerry Lee Lewis den Zilltertaler Hochzeitsmarsch spielen würde. Den er dann auch brav lernte (um ihn anschließend in einen Blues zu verwandeln).

Mit 16 Jahren kommt dann der erneute Weckruf: Fred hört ein Album von Eric Clapton und beschließt, jetzt endlich Gitarrist zu werden, was zu massivem Widerstand im Elternhaus führt, ihn aber letztendlich nicht mehr stoppen kann. Mit 18 hat der den ersten Auftritt mit einer Oldie-Coverband. In den folgenden Jahren spielt er mit jedem, der ihn freiwillig auf die Bühne lässt. Manchmal fährt er abends weg, um eine Band zu finden, die gerade irgendwo spielt und fragt, ob er mitmachen darf. Und die Liste der Einflüsse wächst … Er spielt Gitarre für einen Countrysänger aus Texas, eine Reggae-Band aus Jamaika und ist als Werbespots für Hundefutter an der Gitarre zu hören. Sobald er jedoch seine Vorliebe für Blues und Rock´n´Roll umsetzt, kommen immer noch erboste Aufforderungen, mit „dieser schrecklichen Musik“ aufzuhören. Gelegentlich werden ihm auch Prügel angedroht, wenn er nicht sofort „etwas DEUTSCHES spielt!“. Bei einem Auftritt in München kommt es deswegen sogar zur Schlägerei, als eine Horde besoffener die Bühne stürmt, um die Band zu verprügeln…

Aber auch die Musikindustrie weiß nicht so recht, was sie mit dem seltsamen Bayern anfangen soll. Er klingt zu amerikanisch für einen Deutschen, weigert sich, zu jodeln und macht „Musik für alte Menschen“ (Menschen über 20…).

2006 kommt ihm das Internet zu Hilfe. Genauer gesagt, ein frühes soziales Netzwerk namens Myspace. Dort taucht eines Tages eine Meldung aus den USA im Gästebuch auf: „Hello Fred, we love ya here!“. Absender ist die Ehefrau eines US-Bluesmusikers. Das Internet verbreitet die Botschaft vom „rockenden Bayern“ weiter durch die USA und schließlich landet sein Song „Who killed Alex?“ auf Platz 1 der Rockcharts bei Broadjam. 12 weitere Top10-Einträge folgen. Auf Broadjam aber auch anderen Seiten, die im Prinzip Vorläufer der heute populären Streaming-Seiten wie Spotify waren. Als schließlich eine Einladung kommt, in der US-Musikhauptstadt Nashville aufzutreten, packt er seine Gitarre und fliegt in die USA. Nun kommen die Dinge ins Rollen. Am Ende wird seine Musik ein Jahr lang 6.000 mal am Tag gestreamt, sein Gesicht taucht in Gitarrenmagazinen auf und er wird von einem berühmten Gitarrenhersteller unterstützt. US-Musikgrößen werden zu Freunden und gemeinsame Konzerte gespielt.

2010 wird eine Auftrittsreise durch die USA wegen einer Erkrankung abgesagt. Es ist der Anfang einer Reihe schicksalhafter Umstände, die am Schluss dafür sorgen, dass der Höhenflug ein Ende findet. Und eine neue Karriere einläutet: „Ich habe in Nashville so viel darüber gelernt, wie man bessere Songs schreibt. Aber manche Geschichten lassen sich nicht in drei Minuten erzählen. Also schrieb ich ein Buch…“ „Willi Winzmint und die Verbotene Stadt“ wird in kurzer Zeit zum Kindle-Bestseller. Auch die nächsten drei Bücher landen in den Verkaufs-Top-10 ihrer Kategorie. Und plötzlich ist der Musiker zum Schriftsteller geworden.

2015 meldet sich Fred mit dem Album „Paradise Regained“ zurück, dass bei Amazon Platz 9 der Blues-Albumcharts erreicht. In den USA erhält er für „God rides a Harley“ einen Songwriter-Award. 

„Paradise Regained“ war mein Befreiungsschlag. Ich habe immer auf meinem Alben alle Instrumente selbst eingespielt. Aber die Möglichkeiten waren begrenzt. „Who killed Alex?“ entstand auf einem 8-Spur-Recorder und das Schlagzeug kam aus einem Drumcomputer für 200 Euro. Ich konnte die fertige Musik im Kopf hören, aber sie nie vollständig umsetzen. Bei „Paradise Regained“ hatte ich tonnenweise Aufnahmespuren zur Verfügung. Es gab keine „Ich hätte da gerne noch eine Hammond und dort eine weitere Gitarre, aber die Spuren reichen nicht aus-Probleme“ mehr. Also habe ich mich ausgetobt. Und dann stand ich alleine auf der Bühne und hatte keine Ahnung, wie ich das live umsetzen soll … Weshalb ich auf dem nächsten Album „Soul of a Guitar Man“ fast nur alleine an der Gitarre zu hören bin.

2018 spielt seine linke Hand verrückt, sodass er kaum noch Gitarre spielen kann. Er rennt zu verschiedenen Ärzten, die alle eine „unheilbare Berufsmusikerkrankheit“ diagnostizieren. Vermutlich ist er zu stur, um sich damit abzufinden, und so heilen die Beschwerden langsam aus. Zur gleichen Zeit endet seine Ehe und verwandelt sich in eine Freundschaft zwischen zwei Menschen, die 20 Jahre ihres Lebens geteilt haben. Und er macht weiter Musik, dieses Mal mit deutschen Texten:

 „Ich gehöre nicht zu den Leuten, die immer wieder das Gleiche machen. Wenn ich mich ans Klavier setze, oder die Gitarre in die Hand nehme, weiß ich selbst noch nicht, was am Ende dabei herauskommt. Und manchmal wachst Du mitten in der Nacht auf und hast eine Idee … Ich habe es nicht geplant, plötzlich Deutsch zu singen. Aber dann saß ich am Tisch und mir surrten die ersten Worte von “Freiheit” durch den Kopf: “Stell Dir vor, es gäb ein Leben ohne Mauern im Kopf…” Ich kann das nicht in die Tonne treten, nur weil niemand erwartet, dass ich Englisch singe…. "

"Die Zeit von 2006 bis 2023 war eine bunte Reise, mit vielen Höhepunkten und ein paar Stolpersteinen auf dem Weg. Mittlerweile bin ich 50 und sehr dankbar, dass ich immer noch da bin und weiterhin Gitarre spielen kann. Ich habe 18 Kilo verloren, eine wundervolle Frau gefunden und mich mit einem Katzenrudel angefreundet. Danach habe ich die Gitarre ausgepackt und Songs von Chet Atkins gelernt.“

Die Reise geht weiter!